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Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum ärztlich assistierten Suizid hat die Auftaktveranstaltung der „Woche für das Leben“ im Erzbistum Paderborn inhaltlich bestimmt. Teilnehmende und Refererierende der Online-Tagung forderten, Leid und Not am Lebensende nicht zu verdrängen, sondern den Sterbenden die bestmögliche Fürsorge zukommen zu lassen. „Wir alle wissen, dass der Ruf nach dem erlösenden Tod nicht selten ein Schrei nach Nähe und Begleitung ist“, sagte Moderator Dr. Werner Sosna.
Die „Woche für das Leben“ fand in Kooperation mit dem Caritasverband für das Erzbistum Paderborn an zwei aufeinanderfolgenden Samstagen am 17. und 24. April statt. Jeweils unterschiedliche Referenten widmeten sich an den beiden Tagen der „Kultur der Sorge in der hospizlichen Begleitung“ sowie der Frage, wie dem „Lebensschmerz“ am Ende zu begegnen ist. Die ökumenische „Woche für das Leben“ hat in Erzbistum eine lange Tradition, auch wenn sie im vergangenen Jahr wegen der Pandemie ausfallen musste.
Einer der beiden Referenten der Auftaktveranstaltung war der Theologe und Soziologe Professor Reimer Gronemeyer. Er stellte die Frage nach der Verantwortung, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts Betroffenen und Medizinern aufbürdet. Alle Beteiligten geraten, so Gronemeyer, nach dem Urteil in „Bereiche, in der uns die Möglichkeit, gut zu entscheiden, entgleitet.“ Wie solle man reagieren, wenn eine Depression als Grund für den Todeswunsch genannt wird? In solchen und ähnlichen Fällen gerate der assistierte Suizid in Gefahr, zu einem „Instrument der Selbstabschaltung“ zu werden. Den assistierten Suizid von Menschen mit Demenz, wie in den Niederlanden geschehen, findet Gronemeyer erschütternd. Niemand könne wissen, wie glücklich oder unglücklich ein Mensch mit Demenz ist, sagte er. Angesichts solcher Fälle frage er sich, in welche Richtung die Gesellschaft gehe.
Die Veranstalter der „Woche für das Leben“ im Erzbistum Paderborn haben die Aufmerksamkeit auf eine „Kultur der Sorge“ gelenkt, um einen positiven Gegenbegriff gegen den assistierten Suizid zu setzten. Die Hospiz- und Palliativbewegung habe viel erreicht, um eine solche „Kultur der Sorge“ zu etablieren, sagte Gerda Graf, Pionierin der Palliativ- und Hospizarbeit aus dem Rheinland.
Noch immer jedoch gilt viel zu oft: „Wir dürfen anderen nicht zur Last fallen.“ Dass in Deutschland Menschen in ihrer letzten Lebensphase davor zurückscheuen, Hilfe in Anspruch zu nehmen, empfindet Gerda Graf als „Selbstentblößung“ der Gesellschaft. Die Hospizarbeit setze gegen soziale Isolation auf die „Leidenschaft, sich an andere zu verschenken.“ Wenn jemand mit der Bitte um einen assistierten Suizid an sie herantreten würde, könne sie nur antworten: „Ich bin da, aber ich öffne nicht das Fenster.“
Die Stimmung unter den Teilnehmenden der Auftakttagung war eindeutig: Der assistierte Suizid widerspricht dem Grundanliegen der Hospiz- und Palliativarbeit. Ziel sei es, das Leben in der verbliebenen Spanne Zeit lebenswert und sinnvoll zu machen, betonte Werner Sosna. Die Hospiz-Pionierin Gerda Graf brachte den (Selbst-) Anspruch der Hospizarbeit auf den Punkt: „Was wir brauchen, ist ein Zuwenden, nicht ein Abwenden.“
Ein Beitrag von: Karl-Martin Flüter