Gemeinsam Christ sein

Online-Diskussion stärkt Sehnsucht nach Ökumene

Die Online-Seminarreihe „Kultur im Wandel“ bietet einen Diskussionsraum, in dem erfahrene Praktikerinnen und Praktiker kurze Impulse aus ihren Tätigkeitsfeldern geben. Veranstaltet wird dieses Online-Forum von der Abteilung Glauben im Dialog in Kooperation und Trägerschaft des Bildungs- und Tagungshauses Liborianum. Eine Besonderheit ist, dass sich alle Teilnehmenden im Chat mit ihren Fragen und Perspektiven einbringen können.

An diesem Abend steht die Veranstaltungsreihe ganz im Zeichen der Ökumene. Das Seminar nahm den 3. Ökumenischen Kirchentag (ÖKT) in Frankfurt, der vom 12. bis 16. Mai 2021 veranstaltet wurde, als Anlass, um über die aktuellen Entwicklungen und Fortschritte der Ökumene in Deutschland und in der Welt zu sprechen.

Zwar musste der Kirchentag dieses Mal aufgrund der Corona-Situation in etwas anderem Rahmen stattfinden, wobei er sich vor allem auf Online-Veranstaltungen konzentriert hat. Aber auch vor Ort in Frankfurt gab es einige Aktionen. Nadine Mersch, Vorsitzende des Diözesankomitees im Erzbistum Paderborn und Mitglied des gemeinsamen Präsidiums des 3. Ökumenischen Kirchentages, führt direkt zu Beginn die Tisch-Installation „EIN TISCH“ als besonders eindrucksvolles Beispiel für Ökumene auf. Zum ÖKT wurden als Kunstobjekte mehrere Tische in Nähe der Katharinenkirche aufgebaut, die einen halben Tag lang von verschiedenen Verbänden, konfessionellen Einrichtungen und anderen Gruppen unterschiedlich präsentiert wurden und damit zu einem Perspektivwechsel anregen sollten.

Denn je nachdem, von wo aus man auf die Tische blickte, konnten sie auch wirken wie ein einzelner großer Tisch. Nadine Mersch war von dieser Installation beeindruckt und ist sich sicher, dass es immer wieder gut tun kann, auch selbst die Perspektive zu wechseln und sensibel dafür zu werden, was den anderen bewegt. Gerade im Hinblick auf Fragen der Ökumene. „Es gibt natürlich Einiges, was uns trennt, aber eben auch vieles, was uns verbindet“, ist sich die Vorsitzende des Diözesankomitees sicher.

 

Ohne Ökumene geht's nicht

Dieser Ansicht ist auch Michaela Labudda, Gemeindereferentin im Pastoralen Raum Unna-Fröndenberg-Holzwickede. Es sei wichtig, sich von alten Strukturen zu lösen und den Blick für neue Perspektiven zu öffnen. Was natürlich nicht heißen solle, dass man mit seinem Gegenüber in allen Fragen einer Meinung sein müsse. Aber „in einer zunehmend säkularen Welt kommen wir nicht mehr ohne die Ökumene aus“, sagt Labudda. Die Gemeindereferentin bringt als Beispiel, wie gelebte Ökumene funktionieren kann, die bereits seit zehn Jahren bestehende Partnerschaft der evangelischen und katholischen Kirchengemeinde Opherdicke (Stadtteil Holzwickede) an.

Ein Leuchtturmprojekt seien die gemeinsamen Tauffeiern mit katholischen und evangelischen Christen. Zwar würde jedes Kind selbstverständlich gemäß seiner Konfession getauft, die Feiern würden aber gemeinsam veranstaltet, so dass man auf diese Weise einen Eindruck seines Gegenübers bekommen könne. Folglich könne so auch ein neues Verständnis für den anderen geschaffen werden.

Ähnlich sieht es Pfarrerin Dr. Christel Weber aus Bielefeld. Sie lobt Aktionen wie die Handreichung „Gemeinsam am Tisch des Herrn“ des Ökumenischen Kirchentages und führt als eigenes Beispiel die Vesper-Kirche in Bielefeld an, die alle drei Wochen zu einem kostenlosen Mittagessen geöffnet wird.

 

Sättigung oder heiliges Mahl?

Durch solche Aktionen habe sich die Frage nach der gemeinsamen Eucharistie für sie noch einmal ganz neu erschlossen, berichtet Weber. Teilnehmende der Vesper-Kirche hätten berichtet, dass diese Mittagessen für sie einen ganz besonderen Stellenwert in Fragen der Gemeinschaft einnehmen würden und auf diese Weise auch ein Stück weit heilig für sie werden würden. Die Frage, die man sich zukünftig viel stärker stellen müsse, ist sich Christel Weber sicher, sei die Frage, ob Gott nicht überall da, wo zusammen gegessen würde und Christen miteinander Gemeinschaft hätten, auch gegenwärtig sei. Man müsse überlegen, ob die Grenzziehung zwischen einem profanen Sättigungsmahl und einem heiligen Mal wie der Eucharistie überhaupt noch aufrechterhalten werden könne.

Auch Dr. Michael Hardt, Leiter der Fachstelle Ökumene im Erzbischöflichen Generalvikariat Paderborn, spricht sich ebenfalls für mehr Offenheit gegenüber anderen Konfessionen aus, betont aber zugleich, dass gerade im Hinblick auf die Austeilung der Kommunion durch katholische Priester an beispielsweise evangelische Christen immer noch die persönliche Gewissensentscheidung des Einzelnen an erster Stelle stehen müsse. Gleichzeitig ist sich Hardt sicher, dass solche gemeinsamen Tauffeiern, wie von Frau Labudda vorgestellt, ein sehr guter Schritt in Richtung gelebter Ökumene sein können.

Eine Diskussion zwischen den Teilnehmenden entbrennt an der Frage, wie mit den übriggebliebenen Gaben beim Abendmahl verfahren werden solle. Dabei dürfe es nicht nur um dogmatische Fragen gehen, vielmehr müsse man auch ganz praktisch denken, so Michael Hardt. Beispielsweise könnten solche Gaben für das Krankenabendmahl verwendet werden. Ganz so weit wie in einem Beispiel, dass Nadine Mersch einbringt, möchte er dann aber doch nicht gehen. Die Vorsitzende des Diözesankomitees führt an, dass es eine reformierte Gemeinde gebe, in der die Reste von Brot und Wein in einem Käse-Fondue verarbeitet würden. Man müsse dem selbstverständlich nicht zustimmen, so Mersch, wichtig sei aber bei aller Unterschiedlichkeit, dass man offen bleibe.

 

Was dient dem Menschen?

„Bei aller theologischen Tiefe bin ich sicher, dass uns allen etwas mehr Leichtigkeit im Umgang mit solchen Fragen gut tun würde“, sagt sie und bringt damit die grundsätzliche Tendenz, die sich durch diesen Abend zieht, treffend auf den Punkt. „Gemeinsam in die Zukunft schauen“ lautet ihr Appell, dem sich alle Teilnehmenden anschließen können.
Dem kann sich Michaela Labudda nur anschließen. „In ökumenischer Verantwortung Gesellschaft zu gestalten“, müsse der Auftrag für alle Kirchen in der Zukunft sein.
Auch Christel Weber ist sich sicher, dass keine Kirche zukünftig mehr nur ganz allein für sich leben könne. Die Kirchen müssten sich die Frage stellen, wie sie der Umgebung, in der sie leben, dienen könnten. „Als Kirchen müssen wir wahrnehmen, wo wir gebraucht werden. Was dient dem Menschen? Darum muss es vorrangig gehen“, so Weber. Und dabei sei es wichtig, sich auch auf diese Wünsche und Bedürfnisse einlassen zu können, ganz vorbehaltlos, denn Kirche sei zu allererst immer noch ein Dienst am Menschen.

Dass die Fragen und Aufgaben der Zukunft durchaus herausfordernd sind und folglich nur in einem gemeinsamen Dialog bewältigt werden können, da sind sich alle Teilnehmenden an diesem Abend sicher. Und der Ökumenische Kirchentag in Frankfurt habe eindrucksvoll gezeigt, wie das funktionieren kann.

 
Ein Beitrag von: Anna Petri, Freie Mitarbeiterin
Erzbischöfliches Generalvikariat, Abteilung Kommunikation, Team Redaktion