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Auch im Erzbistum Paderborn wird derzeit viel über die Zukunft des Christentums diskutiert. Im Liborianum, dem Bildungs- und Tagungshaus des Erzbistums, ging es jetzt in die Tiefe: Der renommierte Wissenschaftler Prof. Dr. Joachim Negel referierte zum Thema „Verlorenes Christentum? – Wie wir wurden, was wir sind“. Seit 2015 ist Negel Professor für Fundamentaltheologie an der schweizerischen Universität Fribourg. Er wurde 1989 in Paderborn zum Priester geweiht und ist neben seiner Tätigkeit als Fachvertreter und Direktor des Institutes für Ökumenische Studien derzeit auch Dekan der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg.
Im Rahmen der von zahlreichen Interessierten aus dem gesamten Erzbistum besuchten Veranstaltung sprach Negel über den „Lebensbogen von der Kindheit zum Alter“, der jeweils unterschiedlich gespannt sei: „Ein junger Mensch entdeckt zunächst das Leben in seiner Vielfalt und muss eine persönliche Abgrenzung zur älteren Generation schaffen. Das Verbindende sind unter anderem genetische Voraussetzungen. Der Weg führt von der Herkunft zur Zukunft.“
Negel spielte mit zahlreichen Wortbildern, die sich auch in kirchlichen Texten wiederfinden. Als Beispiel nannte der Fundamentaltheologe den Schlaf, der auch als Vorbote des letzten Schlafes – also des Todes – aufgegriffen würde.
Der Wissenschaftler lieferte zahlreiche Impulse zum Nachdenken – als er etwa die sich verändernde Bestattungskultur in Deutschland ansprach: „Die traditionelle Erdbestattung auf Friedhöfen findet immer seltener statt. Dabei schafft sie den kürzesten Weg zur Erinnerung an die Verstorbenen.“
Negel thematisierte auch das Gebet als Kontaktaufnahme mit Gott – die Ansprache mit Du – wie sie etwa im „Vater unser“ geschehe, schaffe eine maximale Vertraulichkeit. Gebete hätten aber auch mit Einsamkeit zu tun – insbesondere, wenn es um sehr persönliche Anliegen gehe. Dass die Menschen in unserer Gesellschaft immer weniger einsamkeitsfähig seien, beschrieb der Referent als großes Manko der Jetztzeit.
Die Frage, ob das Christentum verloren sei, beantwortete Negel klar mit einem Nein: „Wir erleben einen tiefgreifenden Wandel der kirchlichen Gestaltformen des Glaubens, aber eine geistliche Verortung spielt in der Lebenswirklichkeit auch des modernen Menschen nach wie vor eine wichtige Rolle. Gebet und Lebensglück sind elementar miteinander verknüpft.“
Dr. Werner Sosna, der als Bildungsreferent des Liborianum die Veranstaltung leitete, freute sich über die angeregten Diskussionen und das große Interesse an dem Thema: „Wir werden auch in Zukunft Angebote machen, bei denen zentrale Fragen des Glaubens im Mittelpunkt stehen. Offene Diskussionen sind wichtiger, denn je, und unser Beitrag, die interessierte Öffentlichkeit auf dem Weg der Veränderung mitzunehmen.“
Ein Beitrag von: Heiko Appelbaum