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Die Online-Seminarreihe „Kultur im Wandel“ bietet einen Diskussionsraum, in dem erfahrene Praktikerinnen und Praktiker kurze Impulse aus ihren Tätigkeitsfeldern geben und sich alle Teilnehmenden im Chat mit ihren Fragen und Perspektiven einbringen können. Dieses Mal stand die Veranstaltungsreihe ganz im Zeichen des Fairen Handels.
Fairer Handel endet nicht am Weltladen ist die Online-Diskussion überschrieben und zeigt damit gleichzeitig eine Grundsatzproblematik auf, die sich durch die anschließende Diskussion zieht. Kann ich als Einzelner überhaupt (genug) leisten, um den Fairen Handel ausreichend zu unterstützen?
Mit einer ähnlichen Frage begrüßt auch Moderatorin Dr. Annegret Meyer, Leiterin der Abteilung Glauben im Dialog die Teilnehmenden vor dem Hintergrund der Perspektive Christsein leben und Engagement in der Katholischen Kirche. Wie können wir uns ganz besonders als Christen bei aktuellen Fragestellungen einbringen?
Melanie Fecke vom Referat für Entwicklungspolitische Bildungsarbeit des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Diözesanverband Paderborn, wirft direkt zu Beginn ebenfalls ein wichtiges Stichwort in den Raum: Kritischer Konsum. Hat das Konsumverhalten des Einzelnen überhaupt Auswirkungen auf das Weltgeschehen?
Eine Antwort darauf hat Prof. Dr. Dr. Alexander Lohner, Theologischer Grundsatzreferent bei Misereor. Ganz klar: Ja. Auch Maximilian Schultes vom Fachbereich Dialogische Pastoral in Kirche und Gesellschaft beim Erzbischöflichen Generalvikariat und Projektkoordinator der „Fairen Gemeinde“ kann dem nur zustimmen. Und er bringt auch direkt einige Zahlen an, die zum Nachdenken anregen.
Nur 6,7 Prozent Marktanteil des Gesamtkaffeekonsums entfielen im Jahr 2019 auf fair gehandelten Kaffee. Im Bananenhandel waren es 20 Prozent. Zwar sehe die Perspektive an und für sich gar nicht so schlecht aus, führt Schultes aus, immerhin habe sich der Umsatz des Handels mit fairen Produkten seit 2010 verdreifacht, dennoch gebe es immer noch viel zu tun.
Ein Problem für die verhältnismäßig immer noch geringe Aufmerksamkeit für fair gehandelte Produkte sieht Alexander Lohner in der Werbung. Gerade in den TV-Werbespots, beispielsweise während eines abendlichen Spielfilms, seien faire Produkte immer noch so gut wie gar nicht präsent. Hier gebe es noch sehr viel zu tun, um die Bevölkerung überhaupt erst einmal richtig sensibel für den Konsum von fair gehandelten Produkten zu machen. Auch hier hat Maximilian Schultes einige Zahlen parat. Das Gefälle sei verhältnismäßig groß. Zwar würden rund 66 Prozent von sich sagen, fair gehandelte Produkte zu kennen, aber nur gut 7 Prozent gaben an, regelmäßig auch solche Produkte zu konsumieren.
„Es tut sich etwas, aber es gibt noch viel zu tun“, gibt Schultes als Antwort auf die Frage von Dr. Annegret Meyer, an welchem Punkt die Kirchen ansetzen könnten. Mit dem Projekt „Faire Gemeinde“ wolle man einen Schritt in die Richtung gehen, dass Kirche zu einem wichtigen Motor in den Bereichen Fairer Handel und Nachhaltigkeit werden könne. Aufklärungsarbeit würde dabei groß geschrieben.
In Gemeinden müsse das Bewusstsein geschärft werden, aus christlichem Verständnis heraus verantwortungsvoll zu handeln. Diese Aufgabe bewertet auch Wolfgang Ebbers aus dem Team des Weltladens Bad Wünnenberg e.V. als zentral. Selbst für jemanden, der mitten im Thema drinstecke, so Ebbers, sei es manchmal schwierig, die weltweiten Zusammenhänge im Blick zu behalten. Verantwortung müsse auch deshalb groß geschrieben werden, da auch andere zentrale Probleme wie der Klimawandel und die Flüchtlingskrise übergreifend in den Bereich des fairen Handels hineinwirkten, ob direkt oder indirekt.
Ramona Linder, Referentin für Internationales vom Kolpingwerk Diözesanverband Paderborn hat ganz eigene Erfahrungen mit diesem Thema gesammelt. Ein Jahr lebte sie bei einer Familie in Honduras, die in der Kaffeeproduktion aktiv ist und berichtet von ihren Erfahrungen.
Auf die Frage von Annegret Meyer, ob es persönliche Erfahrungen im Themenfeld des fairen Handels gebe, antwortet Linder, man müsse nicht nur auf das einzelne Produkt schauen, sondern die Welt als Ganzes im Blick behalten. „In unserer heutigen Zeit muss man global denken und global handeln, um die zentralen Probleme anzugehen.“
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Das es noch viel zu tun gibt, da sind sich alle Beteiligten der Diskussionsrunde einig. Politische Maßnahmen wie das Lieferkettengesetz seien zwar ein erster Schritt in die richtige Richtung, reichten aber bei Weitem noch nicht aus, um das Problem als Ganzes in den Griff zu bekommen, ist sich Alexander Lohner sicher. Es brauche eine weitgreifende politische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Und er wirft auch gleich noch ein Beispiel in die Runde, das zum Nachdenken anregt. Die gesamte Schnittblumenindustrie sei ausgelagert in Länder, in denen kaum oder gar keine ökologischen Vorgaben gelten. Mit teilweise eklatanten sozialen und gesundheitlichen Folgen für die dort Beschäftigten. Auch hier müsse in der Bevölkerung ein neues Bewusstsein geschaffen werden, weil solche Probleme vielerorts schlicht und ergreifend nicht präsent seien.
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An ein Umdenken appelliert auch Maximilian Schultes. Sich von der Bindung an alte und bekannte Marken zu lösen, erfordere vielleicht am Anfang viel Disziplin, aber es führe langfristig zum richtigen Ziel. In der internationalen Zusammenarbeit sieht Ramona Linder auf jeden Fall das richtige Signal. Das Handeln in Verantwortung für die nachfolgenden Generationen müsse immer wieder neu reflektiert werden. Dies fange bei jedem Einzelnen an.
Wer glaubt, er könne allein nicht genug bewirken, den ermutigt Melanie Fecke dazu, sich in Verbänden zu organisieren oder in Vereinen zu engagieren. Die Arbeit des BDKJ zeige, dass bei den Jugendlichen der unbedingte Wille da sei, die Welt zum Guten zu verändern. Dies würde auch die Fridays for Future-Bewegung immer wieder neu zum Ausdruck bringen.
50 Jahre Fairer Handel in Deutschland
Fairer Handel ist mehr als nur den fairen Preis zu bezahlen. Verantwortung fängt bei jedem Einzelnen an. In den direkten Dialog treten und auf einem gemeinsamen Wertefundament faire Arbeitschancen gestalten. Dies sind drei wichtige Aussagen, die im Raum stehen und zum Nachdenken anregen sollen. Und wenn man sich schon in seinem engen Umfeld bewusst machen kann, was kleinste Veränderungen im Konsumverhalten bewirken können, sei damit schon viel erreicht, da sind sich alle Beteiligten sicher.
Bereits am 12. April findet die nächste Diskussionsrunde statt, dann zum Thema: „Jetzt sind wir dran – Was können wir in Zeiten von Corona gegen einen Lagerkoller in der Familie tun?“
Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung gibt es HIER.
Ein Beitrag von: Anna Petri, Freie Mitarbeiterin
Erzbischöfliches Generalvikariat, Abteilung Kommunikation, Team Redaktion